Gutes aus Jever

von Matthias Eilers

Teil 4: von jetzt auf neu

Seit ich als kleiner Junge in der Wittmunder Fußgängerzone bei Eis Willi anstand, um für 10 Pfennig eine Kugel Eis zu kaufen ist viel passiert in der Geschäftswelt. Immer mehr Läden machen Ihre Türen für immer zu. Nicht nur in unserer Region. Das ist ein globales Ding.

All die Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, wissen vermutlich gar nicht was da verloren geht und bereits gegangen ist. Urige Läden, in denen man mit Herzblut beraten wurde und immer etwas fand, was man vorher gar nicht kannte. Was es nicht gab wurde bestellt und konnte eine Woche später abgeholt werden. Der Quellekatalog (Marktplatz der 80er Jahre) war auch nicht schneller. "Tante-Emma Läden" gab es wirklich - mit einer gesunden Auswahl und Gurkenfass. Wer das genauer wissen will, kann ja mal in ein paar Folgen Uhlenbusch reinschauen. Das trifft es ganz gut. Insbesondere die Klamotten. Aber Schluss mit der Nostalgie. Das ist Geschichte. Pisspottschnitt, Rolli und Tennissocken gehörten der Vergangenheit an ... dachte ich zumindest. Bis ich letzte Woche bei einem dieser Sitzkonzerte mit Maske eine junge Band mit Tennissocken stehen sah ... es ist nicht alles schlecht. Zum Beispiel ist Tante Emma wieder da und heißt jetzt Unverpackt.

Ich habe lange, verdammt lange über das Problem der Innenstädte nachgedacht. Ja, es stimmt, dass Internet hat den starken Rückgang in den Fußgängerzonen verursacht. Es ist aber nicht mehr wegzudenken. Es gehört dazu, wie zu meiner Kindheit das Telefonieren im Flur. Da stand es. Bis das zehn Meter Kabel kam und ich beim Telefonieren sitzen konnte - auf der Treppe ... das war die größte technologische Revolution vor dem Internet ;)

Das Internet ist ein Riesengewinn für das menschliche Zusammenleben, aber nur wenn unsere Werte dort genauso gelten und Verstöße genauso geahndet werden. Diese Erkenntnis hat leider viel zu lange gebraucht und schreit nach einer globalen Lösung. Eine Riesenchance für die Menschheit. Die Alternative sind nationale Grenzen im Internet, die ein Armutszeugnis wären und Parallelwelten Tor und Tür öffnen würden. Leider hört man aber dennoch wie Pfeiler ins Internet geschlagen werden: "Tick tock". Wir können nur unseren Unmut darüber deutlich machen und hoffen, dass die Entscheider das ähnlich sehen. Vermutlich bleiben die gemeinsamen, globalen Werte noch lange eine Utopie. Aber wie so vieles das sinnvoll, logisch und unverzichtbar ist, werden die grauen Herren auch das nicht auf ewig verhindern können.

Aber warum erzähl ich das alles? Es geht um die Geschäftswelt, die durch das Internet einen gewaltigen Umbruch erleidet und nationale Grenzen im Internet werden das Problem nur verschärfen. Da auch die Geschäftswelt auf globalen Einkauf und Beratungsinformationen zu ihren Produkten angewiesen ist. Die wenigsten Produkte werden im Inland produziert und Entschleunigung ist bei der Maße an Informationen die auf uns tagtäglich einströmen, ebenfalls eine Utopie. Klar kann ich meine Schuhe auch beim Schuhmacher anfertigen lassen. Aber es hat sich so oder so alles verändert. Seit den 80ern hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt. Wir bräuchten viel mehr Schuhmacher oder wir müssten statt einigen Wochen, Monate auf unsere neuen Schuhe warten. Das alte Leben kommt nicht zurück. Es geht nicht. Und selbst wenn es gehen würde: Man wird kaum genügend Mitstreiter finden, die bereit sind die vielen Rückschritte in Kauf zu nehmen. Man kann nur alles dafür tun, dass Gute zu erhalten und vielleicht auch neu zu etablieren, so wie beim Beispiel: Unverpackt.

Die Stärken des Internets, insbesondere im Onlinehandel, wurden oftmals zu spät ernst genommen. Obwohl schon ein paar Große auf dem Durchmarsch waren. Der rechtsfreie Raum hat das noch begünstigt. Im Prinzip ist eine Lawine ins Rollen gekommen, die noch heute wütet:

Die Läden kaufen selbst im Internet. Sie können keine besseren Preise machen. Im Gegenteil sie müssen ja ihr Tun noch aufschlagen. Die Leute kommen, gucken, lassen sich beraten und kaufen dann den Artikel, der bereits in der eigenen Stadt im Laden liegt, im Internet. Frustriert reduzieren die Geschäftsleute ihr Tun. Die Beratung ist nicht mehr so gut. Die Leute kommen nicht mehr. Die Kaufleute werden einfallsreicher und machen mehr, wie beispielsweise teure Werbeaktionen. Die Leute kommen dann, oftmals wie eine Stampede. Insbesondere die älteren Generationen. Wird einmal ein Tag der offenen Tür veranstaltet hat kann man das nachvollziehen. Die Werbegeschenke sind zwar alle weg und vielleicht erreicht der ein oder andere USB-Stick auch den Enkel. Aber im Ergebnis kann man sagen, das rettet ein Geschäft nicht. Die Lawine rollt weiter. Die Werbeaktionen werden eingestellt. Genau wie die Anzeigen im Tagesblatt. Bringt ja nichts. Viele machen bis zum Ruhestand weiter und dann ist Schluss. Der Eisenwarenladen oder das Modehaus schließt in vierter Generation. Für das Ladengeschäft gibt es Interessierte. Die Miete bleibt zumindest: Wettbüros, Spielotheken und 1 Euro Läden machen auf. Doch damit hört es nicht auf. Denn auch diese Branchen müssen kämpfen. Spielen und verlieren kann man ja inzwischen auch ganz gut im Internet. Und auch 1 Euro Artikel bekommt man kostenlos geliefert. Die Lawine rutscht weiter. Die Innenstädte werden für Wohnraum freigegeben. Das "Shoppen" wird langweilig. Da ist ja nichts und das sorgt dafür, dass so auch gut funktionierende Geschäfte und Gastronomie leiden. Ist das die Zukunft? Der eine große Kommerztempel außerhalb, der wie ein Freizeitpark besucht wird und wohnen in der Innenstadt? Inzwischen kann man da auch als Optimist nicht mehr sicher sein.

Wir hier in Jever haben den großen Tourismusbonus. Der sorgt für ordentlich Lauf im Sommer. Da strömen die Menschen durch die Stadt, kaufen Gedöns und essen was das Zeug hält. Diese Zeit ist, zumindest hier für viele Grund genug am Ball zu bleiben. Noch. Bis die Drohnen in den Strandkorb liefern ;) Soweit wird es wohl nicht kommen. Eher kann man sein Auto einkaufen schicken. So oder so wird es immer verrückter werden und alles das, was irgendwie Sinn macht und bezahlbar ist wird Bestand haben. Und hier ist die Politik gefragt. Solange die "Milchmädchen" rechnen und Kosten für Umweltschäden und Langzeitschäden durch Raubbau und Ausbeutung ignoriert werden, wird die Containerpalette ihren Siegeszug weiter fahren.

Auch Containerschiffe bieten uns viele neue Möglichkeiten. Früher habe ich auf einen Artikel aus Hamburg eine Woche gewartet. Heute kommt der Artikel aus China schneller bei mir an. Toll!? Jeder informierte Mensch in Deutschland kennt die Probleme. Ebenso weiß jeder, dass es schon 5 nach 12 ist. Noch besteht Hoffnung, dass der in Aussicht gestellte Imagegewinn die Mächtigen zum Handeln bewegt. Scheinbar geht es nur noch so.

Aber nicht nur auf großer Bühne können wir etwas bewegen. Es gibt einen Weg, den wir mit der Küstenschmiede seit Jahren anvisieren. Allerdings ist dieser sehr aufwändig. Man muss es schaffen, die Innenstädte in der Onlinewelt abzubilden und zwar möglichst realitätsnah. Wir haben uns folgendem Motto verschrieben:

"Was gut und wichtig ist, soll auch in der virtuellen Welt gut und wichtig sein um in der realen Welt gut und wichtig zu bleiben."

Klingt simpel, aber genau das löst viele Probleme. Man kann einer Website nicht ansehen, ob der Betrieb überhaupt existiert. Man kann einem Onlineshop nicht ansehen, ob er ggf. aus der Garage raus betrieben wird. Entsprechend kann man diese Anbieter nicht mit realen Geschäften vergleichen. Das Garagenprojekt ist da und macht kräftig Umsatz. Der etablierte Laden ist auch noch da, macht aber kaum Umsatz mehr, da er in der virtuellen Welt nicht so wichtig ist, wie es sein sollte.

D.h. wir müssen eine Art Gleichgewicht zwischen den Welten herstellen. Und genau dafür haben wir etwas Gutes entwickelt. Corona beschleunigt Virtualisierung und auch unsere Idee hat dank der ursprünglichen Corona-Initiative "gutes-aus-jever.de" einen gewaltigen Zuspruch gefunden.

Mit unserer neuen Technik hätte auch Eis Willi sein eigenes Schaufenster im Internet gehabt.

Wir haben von jetzt auf neu alles geändert und werden das neue Framework nach und nach mit der in den ersten drei Teilen beschriebenen Technik vereinen.

Mehr in Kürze. Seid gespannt.

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