Coworking in Jever

von Matthias Eilers

Die Küstenschmiede im Wandel

Seit einigen Jahren stelle ich mir die Frage, ob es nicht cool wäre in einer Kleinstadt wie Jever ein Coworking Space zu eröffnen. Die Arbeitsweise ist insbesondere im IT- und Kreativsektor in Großstädten längst etabliert. Dort ist es gang und gäbe als "Einzelkämpfer*in" mit dem Laptop im Café zu sitzen oder eben in so einem Coworking Space wie dem Betahaus in Berlin oder Hamburg. Eine tolle Atmosphäre. So macht Arbeit Spaß. Man lernt schnell Leute kennen und eben auch hilfreiche Kollegen. Eigenverantwortliches Arbeiten im eigenen Kiez mit Menschen die mehr erreichen wollen als nur 9to5 Kohle scheffeln. Für Coworker*innen ist Arbeit nicht notwendiges Übel, sondern Teil des Lebens.
 
Als Selbstständige im IT & Kreativ Bereich sind wir nicht selten auch mal 16 Stunden am Tag an der Arbeit. Die Probleme treten auch Nachts und am Wochenende auf. Eine kleine fachliche Änderung in einem größeren Softwareprojekt kann den Aufwand auch mal um hundert Stunden in die Höhe schnellen lassen. Nicht selten verändert das dann aber nicht den vereinbarten Fertigstellungstermin. Zumindest aus Kundensicht. Die ständige Verfügbarkeit vergrößert das Problem. Die Arbeit kann jederzeit und überall fortgeführt werden.

Programmieren und Designarbeiten sind anspruchsvolles Handwerk. Nur eben am Rechner. Die Wertschätzung dieser Tätigkeiten, bzw. das Verständnis für die eigentliche Arbeit ist in der breiten Bevölkerung quasi nicht vorhanden. Ich habe es aufgegeben den Leuten zu erklären, dass wir nicht auf Knopfdruck Seiten generieren um danach noch ein paar fertige Module frei zu schalten. Nein, wir bauen individuelle Projekte auf. Jedes ist anders und soll anders sein. Ich vergleiche das gerne mit einem Autohaus. Nur dass wir das Auto nicht nur liefern, sondern auch noch bauen:

Situation 1 (würde es so im Autohaus vermutlich nicht geben):
"Moin, ich hätte gerne ein rotes Auto mit blauen Türen. Wenn das Auto losfährt soll das Logo von der Windschutzscheibe aufs Dach wechseln."
"Kein Problem. Wie weit soll das Auto fahren können?"
"Ist mir egal."
"Wie ist das mit den Bremsen?"
"Ist mir auch egal. Aber vier Menschen sollen das Auto gleichzeitig fahren können."
"Das geht nicht."
"Dann gehe ich zum Nachbarsjungen. Der kann auch Autos bauen."
¯\_(ツ)_/¯

Situation 2 (würde es so im Autohaus vermutlich nicht geben):
"Moin, ich würde gerne so ein Auto kaufen."
"Okay, der Elektro 5-Türer mit Hupe und Bluetooth kostet in der Grundausstattung 9.999 Euro"
"Ich möchte zwei Hupen. Die eine soll mein Jingle spielen und bei der anderen sollen die Scheibenwischer winken. Außerdem möchte ich zehn Türen. Das kostet doch bestimmt nichts extra? Alles zusammen für 2.000 Euro?"
"Ähh? Nein. Die zweite Hupe machen wir kostenlos mit. Da sitzen wir nur zwei Stunden dran. Aber die fünf weiteren Türen sind etwas aufwändiger. Da brauchen wir bestimmt ne Woche für. D.h. da sind wir dann bei ca. 12.000 Euro."
"Das bezahle ich nicht. Wie ist das, wenn wir die zweite Hupe weglassen?"
"Genauso."
"Dann behalte ich mein altes Auto."
¯\_(ツ)_/¯

Situation 3 (würde es so im Autohaus vermutlich nicht geben):
"Moin, mein Auto ist kaputt. Es startet nicht mehr."
"Okay, das schauen wir uns mal an. Wollen Sie mir die Schlüssel geben?"
"Nein, ich dreh den Schlüssel mal um. Können Sie den Fehler sehen?"
"Nein, der Wagen springt nicht an. Darf ich mich mal reinsetzen?"
"Nein, sagen Sie mir doch einfach was ich machen soll."
"Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn wir das Auto nicht untersuchen dürfen."
"Okay, dann gebe ich Ihnen kurz einen Schlüssel."
... ca. eine Stunde später.
"Läuft wieder. Wir mussten ein paar Teile austauschen und haben noch eine kleine Inspektion gemacht. Schnurrt jetzt wieder Ihr Kätzchen. Ist übrigens ein tolles Auto. Hätte von uns sein können."
"Danke."
"Die Ersatzteile kosten 45 Euro. Die Stunde stell ich Ihnen nicht in Rechnung. Die geht aufs Haus."
"45 Euro. Das bezahle ich nicht."
"Dann bauen wir die Teile wieder aus."
"Sie haben ja gar keinen Schlüssel."
¯\_(ツ)_/¯

Jede Agentur erlebt solche oder ähnliche Situationen tagtäglich. Es ist auch kein Vorwurf. Die Welt hat sich verändert. Selbstverständlich auch in vielen anderen Branchen. Selbst im Autohaus ;) Und wir müssen uns erst einmal daran gewöhnen, dass auch digitale Individualprodukte aufwändig sind.
 
Und was hat das jetzt mit dem Coworking zu tun? Eine ganze Menge. Wir schaffen ordentlich Zeug weg. Jeden Tag. Vieles passiert unter der Haube. Die Arbeit kann nur von anderen Webworker*innen eingeschätzt werden. Den Kunden ist die eigentliche Arbeit meist egal. Sie wollen Ergebnisse, und zwar den heißesten Scheiß. Sie möchten modernste Kunst gepaart mit Raketenwissenschaft ;) Wenn wir aber rund um die Uhr arbeiten, um tolle Kundenprojekte auf die Beine zu stellen ... das aber in der Außenwirkung gar nichts verändert ... wir aber unsere Arbeit lieben und wissen, dass wir damit viel bewegen können. Dann gilt:

"Wenn Du Dich selbst nicht verändern kannst, verändere die Welt." (Love & Peace, Selig)

Coworking bedeutet ...

... Teil einer Gemeinschaft zu sein. Arbeitsklima und Kollegen ohne einen Rattenschwanz.
... Nachhaltiges arbeiten durch intensiven Austausch und dem gemeinsamen Wunsch etwas auf den Weg zu bringen.
... Offen zu arbeiten. Ohne Konkurrenzgedanken kommt man schneller ans Ziel.
... die Freiheit zu haben nur dann zu arbeiten, wenn es passt.
... zusammen etwas Bewegen. Das eigene Projekt steht dabei im Vordergrund. Neue Projekte kommen automatisch dazu. Ein Netzwerk entsteht.

Coworking bringt die ungesunde Life-Work Balance unserer Branchen vielleicht in eine gute Richtung. Aber warum erzähl ich Euch das alles?

Wir haben die Küstenschmiede zum Coastworking Space umgebaut. Ich habe einen Traum wahr gemacht und hoffe, dass die neuen Möglichkeiten in unserer Kleinstadt Jever gefallen finden:
 
  • 3 Etagen
  • mehrere Besprechungsräume
  • verschiedene Arbeitsbereiche und Büros
  • Teeküchen mit allem drum und dran
  • Community-Veranstaltungen (Hackathons, Barcamps, ...)
  • u.v.m.
 
Die offizielle Eröffnung sollte ursprünglich im September 2020, zu unserem zehn jährigen Jubiläum, stattfinden. Wenn die Pandemie es zulässt, dann holen wir die Eröffnungsfeier dieses Jahr im September/Oktober nach. Meldet Euch gerne, falls Ihr Veranstaltungsräume oder flexible Arbeitsplätze benötigt. Oder wollt Ihr mit der ganzen Agentur eine Klassenfahrt an die Nordsee machen? Wir unterstützen Euch, auch bei der Planung.

Hier geht's zur Website: coastworking.space

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